Artikel 61, Absatz 1, des belgischen Mehrwertsteuergesetzbuches bestimmt Folgendes „Jede Person ist verpflichtet, Bücher, Rechnungen, Kopien von Rechnungen und andere Dokumente oder ihre Kopien, die sie gemäß Artikel 60 aufbewahren muss, auf Ersuchen der mit der Mehrwertsteuer beauftragten Verwaltung vor Ort und unverzüglich vorzulegen, damit die genaue Erhebung der Steuer zu seinen Lasten oder zu Lasten Dritter überprüft werden kann.“ 📑📂
„Dieses Recht gilt nicht für Bücher, die nicht abgeschlossen sind. Werden diese Bücher elektronisch aufbewahrt, ist die vorerwähnte Verwaltung berechtigt, sich Kopien dieser Bücher in der von ihr gewünschten Form aushändigen zu lassen.“ 💾🖥️
Artikel 63, Absatz 1, desselben Gesetzbuches lautet: „Wer eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, muss Bediensteten, die befugt sind, die Anwendung der Mehrwertsteuer zu kontrollieren, und die im Besitz ihrer Legitimation sind, jederzeit und ohne vorherige Ankündigung freien Zugang zu den Räumlichkeiten, in denen er seine Tätigkeit ausübt, gewähren, damit sie: 👨💼🏢
1. alle dort befindlichen Bücher und Dokumente prüfen können, 📚
Schon lange befasst sich die Rechtslehre mit dem Umfang der Untersuchungsbefugnisse der Steuerbehörden bei Besuchen in den Räumlichkeiten des Steuerpflichtigen. Es steht nämlich fest, dass das in den vorgenannten Bestimmungen vorgesehene Besichtigungsrecht der Verwaltung nicht mit einem Haussuchungsrecht verwechselt werden darf. 🏠🔍
In einem Urteil vom 16. Dezember 2003 vertritt der Kassationshof die Ansicht, dass gemäß Artikel 63, Abs. 1, Ziffer 1 des Mehrwertsteuergesetzbuches die zuständigen Bediensteten das Recht haben, die Bücher und Dokumente in den Räumlichkeiten, in denen die berufliche Tätigkeit ausgeübt wird, zu prüfen, ohne vorab die Herausgabe dieser Bücher und Dokumente verlangen zu müssen. 📜🔍
Allerdings ist die Rechtslehre bei der Frage nach dem aktiven Suchrecht seitens der Verwaltung geteilter Meinung. Der Umfang des Rechts auf Prüfung der Bücher und Dokumente wird hinterfragt. 🤔📖
Ist für die Einsicht in jene Bücher und Dokumente, die von den Bediensteten in den besuchten Räumlichkeiten vorgefunden werden, eine vorherige Erlaubnis des Steuerpflichtigen sowie eine Anfrage auf Aushändigung dieser Bücher und Dokumente erforderlich? 🔒📘
Oder steht den Bediensteten der Verwaltung eine aktive Befugnis zu, die es ihnen erlaubt, die dort vorgefundenen Dokumente an sich zu nehmen, und zwar ohne vorherige Zustimmung des Steuerpflichtigen, und sogar in den Räumlichkeiten selbst aktiv nach Unterlagen zu suchen? 🔍📂
Diese Frage muss erst im Licht von Artikel 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten betrachtet werden. Darin heißt es: 🌍⚖️
„1. Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. 🏡💌
2. Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.“ 🏛️👮♂️
Um den Vorgaben des Artikels 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte zu entsprechen, ergibt sich daraus, dass der Eingriff der steuerlichen Untersuchung drei Kriterien erfüllen muss: Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage, legitimes Ziel und Erforderlichkeit. 📜✅🔍
Bezüglich der ersten beiden Anforderungen hat der belgische Verfassungsgerichtshof in seinem Urteil Nr. 116/2017 vom 12. Oktober 2017 Folgendes festgestellt: „Die Steuerprüfung, wie sie in Artikel 63, Absatz 1 des Mehrwertsteuergesetzbuches geregelt ist, soll die notwendigen Feststellungen hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der Steuererklärung ermöglichen und zielt somit darauf ab, die Erhebung der Steuern sicherzustellen, die für das ordnungsgemäße Funktionieren der Behörde und die Garantie des wirtschaftlichen Wohlergehens des Landes notwendig sind“ und „verfolgt daher ein legitimes Ziel“. 📑💡
Weiter führt der Verfassungsgerichtshof aus: „Die betreffenden Bestimmungen verpflichten den Steuerpflichtigen bzw. seinen Bevollmächtigten dazu, freien Zugang zu den Geschäftsräumen zu gewähren und somit an der Steuerprüfung mitzuwirken. Sie berechtigen jedoch nicht die zuständigen Bediensteten, sich gewaltsam Zugang zu den Geschäftsräumen zu verschaffen, wenn diese obligatorische Zusammenarbeit verweigert wird, oder die Einsichtnahme in die betreffenden Bücher und Dokumente zu verlangen, wenn der Steuerpflichtige sich dem widersetzt. Hätte der Gesetzgeber ein solches Untersuchungsrecht auferlegen wollen, hätte er dies ausdrücklich vorsehen und dessen Modalitäten festlegen müssen, was jedoch nicht der Fall ist.“ 🔐⚖️
Somit stellt sich konkret die Frage, ob die Steuerbeamten im Rahmen eines Besuchs vor Ort selbst Schränke oder verschlossene Schubladen öffnen oder sich Zugang zu Computersystemen verschaffen dürfen, um Dokumente mitzunehmen. 📂🔑💻
Artikel 63, Absatz 1, Ziffer 1 des Mehrwertsteuergesetzbuches gewährt den Bediensteten das Recht, die Bücher und Dokumente zu prüfen, die sich in verschlossenen Möbeln, Tresoren, Behältern, Archiven, Mülleimern oder anderen Behältnissen in den Räumlichkeiten befinden, in denen der Steuerpflichtige seine berufliche Tätigkeit ausübt, ohne zuvor dessen Zustimmung einholen zu müssen. Verwehrt der Steuerpflichtige dies, dürfen die Möbel nicht geöffnet und die Bücher und Dokumente nicht eingesehen werden. 🔒📚
Was ist, wenn sich der Steuerpflichtige der Maßnahme nicht widersetzt? 🤔❓
In seinem jüngsten Urteil vom 6. Oktober 2023 (F.22.0082.F) hat der Kassationshof entschieden, dass „Artikel 63, Absatz 1, Ziffer 1 des Mehrwertsteuergesetzbuches den zuständigen Bediensteten das Recht einräumt, die Bücher und Dokumente zu prüfen, die sich in verschlossenen Möbeln, Mülleimern oder Kühlschränken in den Räumlichkeiten befinden, in denen der Steuerpflichtige seine berufliche Tätigkeit ausübt, ohne zuvor dessen Zustimmung einholen zu müssen, und dass die Einsichtnahme in diese Bücher und Dokumente nur dann nicht erfolgen darf, wenn sich der Steuerpflichtige dieser Maßnahme widersetzt.“ 📜📦
Hingegen verstoßen Handlungen zur Öffnung der Schränke oder das Durchsuchen von Mülleimern in Abwesenheit des Steuerpflichtigen oder wenn sich dieser einer solchen Maßnahme widersetzt, gegen Artikel der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte. 🚫🚪
Fazit 📝
Artikel 63, Absatz 1, Ziffer 1 des Mehrwertsteuergesetzbuches räumt den zuständigen Bediensteten das Recht ein, die Bücher und Dokumente zu prüfen, die sich in verschlossenen Möbeln, Mülleimern oder Kühlschränken in den Räumlichkeiten befinden, in denen der Steuerpflichtige seine berufliche Tätigkeit ausübt, ohne zuvor dessen Zustimmung einholen zu müssen, und bestimmt, dass die Einsichtnahme in diese Bücher und Dokumente nur dann nicht erfolgen darf, wenn sich der Steuerpflichtige dieser Maßnahme widersetzt. 📚❗