📜 Das belgische Mehrwertsteuergesetzbuch besagt, dass „für jede Verletzung der Pflicht zur Entrichtung der Steuer eine Geldstrafe in Höhe des Doppelten der umgangenen oder verspätet gezahlten Steuer verhängt wird“.
⚖️ Sofern der Steuerzahler nicht vorsätzlich die Mehrwertsteuer umgehen wollte – in diesem Fall sind die Strafen endgültig fällig – hat die Steuerverwaltung die Befugnis, die verhängten Strafen nach bestimmten Maßstäben zu reduzieren.
Der Finanzminister hat ebenfalls die Befugnis, in Form eines reinen Gnadenersuchens diese Strafen zu reduzieren.
Aber wie sieht es mit den Richtern aus?
Sind sie befugt, Steuerstrafen zu mildern? Und wenn ja, in welchem Umfang?
📈 Im Laufe der Zeit hat sich die Position des Kassationshofes zu mehr Flexibilität entwickelt.
📚 Anfangs legalistisch – der Richter kann die Strafe nicht aus reinen Opportunitätsgründen mildern oder aufheben – hat unsere höchste Gerichtsbarkeit nach und nach die administrative Praxis übernommen, die die Schwere des Vergehens und die bereits verhängten Sanktionen berücksichtigt, um die verhängten Strafen zu reduzieren – oder auch nicht.
Absichtlich hinterzogene Mehrwertsteuer
❓ Es bleibt die Frage der absichtlich hinterzogenen Mehrwertsteuer durch den Steuerzahler. Wir haben gesehen, dass die Steuerbehörde in diesem Fall keine Ermäßigung gewähren kann (dies wird im juristischen Jargon als gebundene Entscheidungskompetenz bezeichnet).
Wie steht es mit der Justiz?
👨⚖️ Nun, auch in diesem Fall hat der Kassationshof letztlich die Möglichkeit für den Richter zugelassen, die Strafe zu mildern, sofern diese Strafmilderung objektiv begründet ist.
Kriterien für die Reduzierung bzw. die Ablehnung der Reduzierung der Strafe
📋 So hat der Kassationshof Entscheidungen bestätigt, die die Reduzierung (bzw. die Ablehnung der Reduzierung) der Strafe auf folgenden Grundlagen stützen:
* die Schwere des Vergehens;
* das Fehlen jeglicher anderen Sanktionen;
* der übermäßige Charakter der Strafe, selbst für ein großes Unternehmen, wodurch die zukünftige Existenz der meisten Unternehmen gefährdet wird;
* die Tatsache, dass es sich um einen erstmaligen Verstoß handelte;
* der Prozentsatz (75 Prozent anstelle von 50 Prozent, wie vom erstinstanzlichen Richter entschieden) berücksichtigte auch die Tatsache, dass der Betrug dem allgemeinen Interesse schadete und den Wettbewerb beeinträchtigte;
* der Fall betraf eine Grundsatzfrage.
Entscheidungskompetenz und Befugnisse des Richters
⚖️ Selbst in Fällen, in denen die Steuerbehörde nur über eine gebundene Entscheidungskompetenz verfügt, kann der Richter eine Ermäßigung oder Aufhebung der Strafen gewähren, dabei jedoch Zurückhaltung üben, fügt der Kassationshof hinzu.
Was bedeutet das?
🧐 Es scheint uns, dass es sich dabei vor allem um eine rhetorische Formulierung handelt und dass der Kassationshof letztlich die Befugnis des Richters, die Verwaltungsstrafen zu reduzieren, sehr weit auslegt.
Fazit
🔚 Abschließend lässt sich sagen, dass unabhängig von der Art des Verstoßes, der zur Verhängung von Mehrwertsteuerstrafen führt, ein gerichtlicher Rechtsbehelf möglich ist, wenn die Verwaltung keine Entscheidungskompetenz oder keine Reduzierung oder Aufhebung dieser Strafen gewähren kann oder will. Der Rechtsbehelf muss natürlich begründet sein.